Außergewöhnliche Belastung: Erwerbsobliegenheit führt zur Anrechnung fiktiver Einkünfte

Kennen Sie „fiktive Einkünfte“? Nein? Das Finanzamt schon. Bei den meisten Steuerpflichtigen sind solche Einkünfte zwar eher die Ausnahme. In einem kürzlich vom Finanzgericht Niedersachsen (FG) entschiedenen Fall sorgten sie jedoch für ein böses Erwachen. Jahrelang hatte ein Unternehmer seiner Lebenspartnerin Unterhalt gewährt – dafür machte sie den Haushalt und arbeitete teilweise unentgeltlich in seinem Unternehmen mit. Alles in Allem erinnerte die Konstellation an ein „konservatives“ Eheleben – nur ohne den Status der Ehe.

Unterhaltsaufwendungen können das Einkommen des Leistenden sowie die darauf entfallende Steuer mindern. Allerdings gibt es folgende Unterscheidung: Bei zusammenveranlagten Eheleuten fließt der Grundfreibetrag der nicht erwerbstätigen Person in die Steuerfestsetzung ein, indem er die Höhe des zu versteuernden Einkommens reduziert. Bei „nur“ zusammenlebenden, unverheirateten Paaren entfällt diese Möglichkeit wie auch die der Zusammenveranlagung.

Die steuerliche Berücksichtigung eines identischen Betrags können sie aber über den folgenden Umweg erreichen: Durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im eigenen Haushalt wird eine Unterhaltsleistung in Höhe des Existenzminimums als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Diese wiederum reduziert das zu versteuernde Einkommen – und der Grundfreibetrag ist nichts anderes als das Existenzminimum (2016: 8.652 € pro Jahr). Eigene Einkünfte des Empfängers mindern diesen Betrag allerdings.

Haben Sie den Stolperstein erkannt? Eigene Einkünfte hatte die Frau im Urteilsfall zwar nicht – fiktive Einkünfte aber schon. Dabei wurde nicht ihre unentgeltliche Tätigkeit bewertet, sondern es ging um die Einnahmen, die die Frau hätte erzielen können, wenn sie arbeiten gegangen wäre. Als Unterhaltsempfängerin im arbeitsfähigen Alter unterlag sie nämlich der sogenannten Erwerbsobliegenheit: Sie hätte ihre Möglichkeiten zur Erzielung von Einkünften durch Einsatz ihrer Arbeitskraft ausnutzen müssen, um eine Bedürftigkeit zu vermeiden. Zumindest hätte sie sich um Arbeit bemühen müssen.

Doch ernsthafte Versuche der Frau, eine Anstellung zu bekommen, waren im Urteilsfall offensichtlich nicht erfolgt und konnten auch nicht glaubhaft nachgewiesen werden. Daher zog das FG fiktive Einkünfte in Höhe von 400 € pro Monat vom Existenzminimum ab. Diesen Betrag hatte die Frau bei einem früheren Angestelltenverhältnis erwirtschaftet, daher schien er realistisch. Im Ergebnis ist die beantragte außergewöhnliche Belastung also ur zum Teil in die Steuerfestsetzung des Mannes eingeflossen.

Hinweis: Sie unterstützen eine Person ohne eigenes Einkommen? Möglicherweise leisten Sie dadurch Unterhalt, der steuerlich anerkennungswürdig ist. Sprechend Sie uns an – wir beraten Sie gern.